Zwischen Kultur und Kamelen

Endlose Baumwollplantagen, Khejri-Bäume und rotbraune Wüstenerde empfingen uns auf der ersten der vielen stundenlangen Busfahrten durch den indischen Bundesstaat Rajasthan.

Der zweiwöchige Aufenthalt des Seminarkurses Indien fand vom 17.10.2023 bis zum 30.10.2023 statt. Auf dieser Seminarreise durften wir zwölf Schüler*innen des Kurses mit den Lehrkräften Frau Baur und Herr Jungwirth die Partnerschule des Fanny-Leicht-Gymnasiums besuchen. Das ist die BRJD Public School, welche uns großzügigerweise eine Woche in den schuleigenen Internatsräumen eine Unterkunft zur Verfügung stellte. Im Anschluss an den Aufenthalt im Internat machten wir eine einwöchige Rundreise durch die indischen Großstädte Jaipur, Agra und Delhi.

Das Ziel des Indienaustausches ist es, sowohl die freundschaftliche Beziehung mit unserer indischen Partnerschule aufrecht zu erhalten, als auch die Tradition des Indienaustausches wieder aufzunehmen, nachdem dieser in den letzten Jahren aufgrund der Corona-Pandemie nicht stattfinden konnte. Außerdem erleichtert uns diese Möglichkeit das anschließende Schreiben einer Seminararbeit durch den verstärkten Bezug und die erweiterten Kenntnisse über Indien.

Freudige Gesichter der indischen Lehrkräfte und einiger Schüler*innen erwarteten uns nach einer Zugfahrt, einem achtstündigen Flug und einer vierstündigen Busfahrt hinaus aus der Millionenstadt Delhi, durch die Wüstengebiete Rajasthans. Doch die anstrengende Anreise war nach kurzer Zeit durch die Gastfreundschaft vor Ort vergessen, welche wir durchgehend erfahren durften.

In den darauffolgenden Tagen erhielten wir die Möglichkeit zahlreiche Familien in ihren Häusern besuchen zu dürfen. Die Dörfer erreichten wir mit dem Schulbus. Was auf den ersten Blick als Überbrückungszeit wirkte, erwies sich als äußerst lehrreich. Schon auf den Busfahrten konnten wir unterschiedlichste Landschaften und Dörfer am Auge vorbeiziehen lassen, sowie interessante Gespräche mit den Schüler*innen oder Lehrkräften führen, welche uns begleiteten.

Die Großfamilien erwarteten unseren Besuch meistens mit einer ausgiebigen Mahlzeit, welche zuvor eigens im Innenhof mühevoll zubereitet wurde. Paneer Tikka Masala, Naan und Gulab Jamun; nach dieser Zeit waren uns immer mehr Gerichte bekannt. Im Anschluss stand in der Regel eine Führung durch das Haus an, welche oftmals zu den Feldern der Familien ausgeweitet wurde. Dabei konnten wir die zuvor erblickten Baumwollplantagen aus der Nähe betrachten und lernten, wie es mithilfe der regionalen Regenwassersysteme ermöglicht wird, in der trockenen Wüstenlandschaft Ackerbau zu betreiben.

Doch auch die lokale Fauna kam nicht zu kurz; den Hirtenjungen beim Treiben der Ziegenherde beobachten, nach einer verlorenen Feder von einem der vielen Pfaue suchen oder die Echsen über dem eigenen Bett zum Einschlafen zählen. Dazu gehörten auch die Fahrten zurück von den Feldern, die nicht nur im Bus, sondern auch auf Kamelwägen oder in Form eines Kamelrittes stattfanden. Dabei landeten wir oftmals bei farbenfrohen Tempeln. In diesen durften wir hinduistische Rituale durchführen, welche von beinahe allen Gläubigen mehrmals am Tag ausgeübt wurden. Dieser Stellenwert der Religion war wohl eine der besonders bemerkenswerten Erfahrungen, welche das Interesse für die weitere Beschäftigung mit der Thematik bei einigen von uns weckte.

Die Kultur ließ sich erneut bei der „Annual Function“ erleben, dem jährlichen Schulfest in Form eines Theaterstückes aus mehreren Tänzen in prachtvollen Gewändern. Neben den indischen Schüler*innen aller Altersklassen hatten auch wir eine Tanzaufführung eingeübt, mit welcher wir einen Teil unserer Kultur präsentieren durften. Die künstlerische Facette konnten wir erneut durch Henna-Tattoos entdecken, welche wir mit ruhiger Hand in einer beeindruckenden Geschwindigkeit aufgemalt bekamen.

Nach einer Woche voll hautnaher Erfahrungen des Familienalltags auf dem Land und unzähliger neuer Eindrücke, setzten wir die Reise fort und verließen die BRJD Public School. Nun ging es in die Hauptstadt des Bundestaates Rajasthan: Jaipur. Mit den drei Millionen Einwohner*innen hätte der Kontrast zum ruhigen Landleben wohl kaum stärker sein können, obwohl dazwischen lediglich ein paar Stunden Busfahrt lagen.

Dort angekommen schlenderten wir durch das Fort Amber, welches als Schlossanlage und militärische Festung die Haupttouristenattraktion der Umgebung darstellte. Überraschend war auch, dass wir erstmalig andere Touristen außer uns erblickten. Das Stadtleben empfing uns mit den imposanten Toren und gepflasterten Wegen, über die kunstvoll bemalte Elefanten schritten. Hier erfuhren wir zum ersten Mal etwas über die historischen Hintergründe und die lokale Architektur in der ganzen Region. Dieser Kontrast zum ruhigen Landleben erreichte seinen Höhepunkt in den menschenüberfüllten Straßen des Bazars, durch die wir uns einen Mittag lang treiben ließen. Neben frisch gekochtem Streetfood wie Samosa ließ sich dort alles auffinden, was sich als Mitbringsel oder Andenken eignete. Bereits von Weitem dufteten alle Gewürze der indischen Küche, welche einem aus großen Gläsern gemischt und anschließend gemahlen wurden. Auch Chai, kunstvoll bestickte Stoffe und bunter Schmuck konnte uns begeistern. Ein weiteres unserer Ausflugsziele war der Palast der Winde, das Wahrzeichen der Stadt. Die Fassade aus rotem und rosa Sandstein unterteilte sich in unzählige Balkone. Die zahlreichen kleinen Fenster mit Spalten ermöglichen eine durchgehende Luftzirkulation, die dem Palast seinen Namen gibt. Ein weiterer Unterschied zu dem Alltag in der ländlichen Gegend waren die häufigen Restaurantbesuche. Dass wir die Speisekarte kaum verstehen konnten, schränkte uns nicht ein, da hinter dem Bestellen nach Belieben die Gewissheit stand, dass jedes Gericht einer Person an unserem Tisch schmeckte und sich so zunehmend Namen zu den bekannten Essen zuordnen ließen.

Das nächste faszinierende Bauwerk auf unserer Route war das Taj Mahal in Agra. Wir wurden nicht enttäuscht und am frühen Morgen von der eindrucksvoll angestrahlten Marmorfassade in weiß empfangen. Nicht nur die Parkanlage mit den kleinen Wegen, die zum Flanieren einladen, sondern auch die eindrucksvollen Bauwerke neben dem Hauptgebäude gaben dem Ort seine Charakteristik. Die Liebe zum Detail und Ausarbeitung bis in den letzten Winkel beherrschten das Bild sowohl an der achteckigen Außenfassade als auch im andächtigen Innenraum des Mausoleums. Über die Technik der floralen Motive und Koraninschriften an den Wänden durften wir danach noch mehr erfahren.

Unser letzter Aufenthalt erfolgte in der Hauptstadt Delhi. Trotz der langsam einkehrenden Abreisestimmung waren noch Kapazitäten für weitere Eindrücke vorhanden. Dort besichtigten wir das Rote Fort, eine Festungs- und Palastanlage, welche mit seiner roten Sandsteinfassade als Weltkulturerbe erklärt wurde. Das Bauwerk der Mogulzeit bildete einen Gegensatz zu dem modernen Lotustempel. Trotz der Unterschiede konnten wir uns für beide Architekturstile begeistern. Zusätzlich zu der Kultur ließ sich die Modernität der Großstadt auch in den alltäglichen Gebäuden erfahren und nicht zuletzt auch am Flughafen.

Dort musste unsere erlebnisreiche Reise nach zwei Wochen ein Ende finden. Unsere Koffer waren gefüllt mit Gewürzen und Gewändern, unsere Köpfe mit lauter unvergesslichen Momenten. Dank der vielen gastfreundlichen Menschen in Indien und der BRJD Public School durften wir unendlich viele Erinnerungen sammeln und hatten einen Aufenthalt, an den man sich gerne lächelnd mit einer Tasse Chai in der Hand zurückerinnert.